Lebens(t)raum Weserdörfer
Die Dörfer Stemmen und Varenholz liegen im Norden der Gemeinde Kalletal unmittelbar angrenzend an die Weser und werden, gemeinsam mit Erder, traditionell als die Kalletaler „Weserdörfer“ bezeichnet. Trotz einer nahezu stabilen Einwohnerzahl, zahlreichen Investitionen in die Infrastruktur und steigenden Übernachtungszahlen des CampingPark Kalletal, erweist sich die Bebauung entlang der „Varenholzer Straße“ und der „Weserstraße“ aufgrund ihres Erscheinungsbildes teilweise als Sorgenkind der Gemeinde. Vermehrt ist hier ein Sanierungsstau, teilweise sogar Verfall, einzelner im Privatbesitz stehender (denkmalgeschützter) Gebäude zu verzeichnen. Mit einem Bürgerbeteiligungsprojekt unter dem Titel „Lebens(t)raum Weserdörfer“ möchte die Gemeinde mit den Menschen vor Ort an der Zukunft arbeiten.
Bevölkerungsentwicklung
Die Anzahl der Einwohner in den Dörfern ist zwischen 2015 und 2025 von 1557 auf 1519 gesunken. Anders als vielleicht vermutet, also lediglich um 38 Einwohner, was 2,44 Prozent entspricht und damit unter dem statistischen Durchschnitt der Bevölkerungsentwicklung im Kreis Lippe insgesamt liegt. Lässt man hier ergänzend die Tatsache einfließen, dass zwei größere Pflegeeinrichtungen ihren Betrieb eingestellt haben, muss festgestellt werden, dass die Einwohnerzahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar stabil geblieben ist.
Infrastrukturmaßnahmen
Im Hinblick auf die Infrastruktur haben Rat und Verwaltung in den vergangenen Jahren in Stemmen und Varenholz eine Vielzahl von Projekten gemeinsam beschlossen und umgesetzt bzw. auf den Weg gebracht. Beispielhaft seien hier genannt:
- LEADER- Projekt „Herstellung einer innerörtlichen Fußwegeverbindung zwischen den Ortsteilen Stemmen und Varenholz“
- Herstellung der Erschließungsanlage "Osterbrink" im Ortsteil Stemmen
- LEADER- Projekt „Weserfähre Varenholz/Veltheim“
- Neubau „Feuerwehrgerätehaus mit multifunktionaler Räumlichkeit“
- Erwerb eines Mannschaftstransportfahrzeuges für die Löschgruppe Varenholz/Stemmen
- Erwerb eines Rettungsbootes einschließlich Anhänger für die Löschgruppe Varenholz/Stemmen
- Erneuerung eines Fußweges im Bereich Weserstraße – Osterbrink
Darüber hinaus ist es gelungen über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ein Löschfahrzeug zum Standort Varenholz/Stemmen zu holen.
Tourismus
Nach einem Gespräch der Verwaltung im Februar d. J. mit der Geschäftsführung des CampingPark Kalletal wurde von dort aus darüber informiert, dass es gelungen seit die Übernachtungszahlen in den vergangenen Jahren sukzessive deutlich zu steigern. Im Rahmen des gemeinsamen Smart-City-Vorhabens mit der Alten Hansestadt Lemgo wurde die Weserfähre mit Sensortechnik ausgerüstet. Diese wird dafür genutzt, einen aktuellen Fahrstatus zu ermitteln: Fährt die Fähre heute, ja oder nein. Denn ob der Fährbetrieb gerade stattfindet, hängt nicht nur vom Dienstplan des Fährpersonals, sondern auch von verschiedenen Umweltfaktoren wie beispielsweise Wetterlage oder Wasserstand ab. Durch angebrachte Sensoren lassen sich zum Beispiel das Wetter vor Ort sowie die Windstärke ermitteln. Auch Informationen über den Wasserpegel können mittels der Sensoren abgefragt werden. Eine Funktechnik (LoRaWAN) sorgt dafür, dass die gesammelten Informationen der Sensoren weitergeleitet werden. Dieser Service wird von den Nutzenden der alternativen Weserradweg-Route gerne genutzt.
Ortsbild:
Insbesondere entlang der „Varenholzer Straße“ und der „Weserstraße“ ist vermehrt ein Sanierungsstau, teilweise sogar Verfall, einzelner im Privatbesitz befindlicher (denkmalgeschützter) Gebäude zu verzeichnen. Es ist festzustellen, dass hier grundsätzlich ein erheblicher Bedarf der Attraktivitätssteigerung besteht.
Es gilt folglich die Ursache(n) zu identifizieren, um eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen und darauf basierend den Dörfern Stemmen und Varenholz eine positive Entwicklung zu ermöglichen.
Ursache(n):
Aus Sicht der Verwaltung sind die nachfolgenden Sachverhalte ursächlich für das aktuelle Ortsbild entlang der „Varenholzer Straße“ und der „Weserstraße“:
- Sanierungsstau der Straßenkörper L961 „Kirchbergstraße“ und L781 „Varenholzer Straße“ und „Weserstraße“
- Verkehrsführung des Schwerlastverkehrs insbesondere zu und von den Abgrabungsstätten
- Fehlende Bereitschaft der Eigentümer zur Sanierung von mittlerweile „Problemimmobilien“
Ferner fehlt es an der
- Verfügbarkeit von Wohnbauflächen
Begründung und Lösungsansätze:
- Mit Fokus auf den Sanierungsstau des Straßenkörpers L961 „Kirchbergstraße“ geht es um den sogenannten „ersten Eindruck“ den man bei der Einfahrt nach Varenholz gewinnt. Hier hat der Straßenbaulastträger Straßen.NRW auf Anfrage der Verwaltung mitgeteilt, dass eine Sanierung der Straße bisher nicht im Maßnahmenkatalog aufgenommen sei. Hier bietet es sich an, dass Rat, Verwaltung und Einwohner*innen gemeinsam auf eine schnellstmögliche Sanierung hinwirken.
- Zum Sanierungsstau des Straßenkörpers L781 „Varenholzer Straße“ und „Weserstraße“ ist mitzuteilen, dass sich der Straßenbaulastträger Straßen.NRW bereits seit Ende 2022 in den Vorplanungen für eine Deckenerneuerung befindet. Die Verwaltung hat parallel dazu eine Kanalinspektion der kommunalen, überwiegend nahezu auf gesamter Strecke in der Fahrbahn verlaufenden Abwasserkanäle veranlasst, um nicht Gefahr zu laufen, nach einer erfolgten Deckenerneuerung im Nachgang erneut in die Fahrbahn eingreifen zu müssen. Gleiches gilt für den Bestand der Trinkwasserleitungen, die zwar überwiegend im Gehweg verortet sind, aber aus Material bestehen, das äußerst anfällig für Rohrbrüche ist. Insofern ist nach Abschluss der Auswertung der ermittelten Kanalinspektionsdaten davon auszugehen, dass es, zumindest abschnittsweise, mit einer Deckerneuerung allein nicht getan sein wird, sondern auch kommunale Baumaßnahmen erforderlich sind.
- Die aktuelle Verkehrsführung des Schwerlastverkehrs insbesondere zu und von den Abgrabungsstätten in den Dörfern führt zu deutlichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität in Stemmen und Varenholz. Das ist auch auf die schwierige Verkehrssituation im Kreuzungsbereich Möllenbeck zurückzuführen, die ein Einbiegen von Langenholzhausen/Elfenborn aus kommend in Richtung Stemmen und Varenholz für große Fahrzeuge nahezu ausschließt. Das wiederum führt dazu, dass vermehrt der Weg über Erder oder Anliegerstraßen gesucht wird. Es bedarf neben erneuten Gesprächen mit den Betreibern der Abgrabungsstätten insbesondere der Abstimmung mit der Stadt Rinteln und dem Straßenbaulastträger auf niedersächsischer Seite, um Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
- Die fehlende Bereitschaft der Eigentümer zur Sanierung der „Problemimmobilien“, die teilweise sogar dem Denkmalschutz unterliegen, hat bereits einige Leerstände zur Folge, teilweise muss hier von Verfall der vollständigen Bausubtanz geredet werden. Hier gilt es über eine gezielte Kampagne zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum nachzudenken. Aufgrund des verwaltungsseitigen, überregionalen Netzwerkes gab es bereits in den zurückliegenden zwei Jahren Anzeichen dafür, dass sich der Bund stärker dieser Thematik widmen wird. Im Januar 2025 veröffentlichte das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) seine „Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung“, die darauf abzielt Leerstand zu beseitigen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dieser Leitfaden muss jetzt auch aufgrund seines Förderpotentials, die Grundlage bilden, verstärkt in den Dialog mit den jeweiligen Eigentümern zu gehen, um eine ganzheitliche Lösung in Stemmen und Varenholz zu erarbeiten.
- Die Verfügbarkeit von Wohnbauflächen könnte sich durch eine Umsetzung des bereits rechtskräftigen Bebauungsplanes 15/03 „Rainweg“ östlich der Kirchbergstraße aus dem Jahr 2003. Das setzt einerseits die Verkaufsbereitschaft der Flächeneigentümer voraus und andererseits die Bereitschaft des Rates der Gemeinde Kalletal hier den Grundstückserwerb und die Erschließung des Baugebietes durchzuführen, sofern sich kein Investor findet. Die hierfür erforderlichen finanziellen Ressourcen wiederum wären dann im Haushalt entsprechend zu veranschlagen.
Weiteres Vorgehen:
Um eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen und darauf basierend den Dörfern Stemmen und Varenholz eine positive Entwicklung zu ermöglichen hält es die Verwaltung für unbedingt zielführend sich dem Instrument eines Bürgerbeteiligungsprojektes zu bedienen, dass die Überschrift „Lebens(t)raum Weserdörfer“ tragen soll. Die Partizipation der Bürger*innen ist wichtig, weil er den Menschen die Möglichkeit gibt, aktiv an Entscheidungen teilzunehmen, die ihr Leben und ihre Gemeinschaft betreffen. Durch diesen Prozess können die Bürger*innen ihre Meinungen, Ideen und Bedenken äußern, was zu einer transparenteren und demokratischeren Entscheidungsfindung führt. Zudem fördert er das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Die Verwaltung wird die Bürger*innen der Dörfer Stemmen und Varenholz am Freitag, den 23. Mai 2025 zu einem gemeinsamen Austausch einladen, um das Bürgerbeteiligungsprojekt „Lebens(t)raum Weserdörfer“ für die Zukunft von Stemmen und Varenholz mit den Menschen vor Ort zu starten.
Bildunterzeile: Ein Blick auf Stemmen und Varenholz vom Kirchberge aus. [oben]. Die „Varenholzer Straße“ im Ortskern mit sanierten aber auch sanierungsbedürftigen Gebäuden. [Mitte links] Straßenschäden in der Fahrbahn der L781 „Varenholzer Straße“ im Ortseingangsbereich von Varenholz. [Mitte rechts] Der Kreuzungsbereich im niedersächsischen Möllenbeck. [unten links] Straßenschäden in der Fahrbahn der L961 „Kirchbergstraße“ in Richtung Varenholz. {unten rechts]