Mitteilung des OVG Münster zum Thema Kommunalwahl 2009
Mitteilung des OVG Münster zum Thema Kommunalwahl 2009
Das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster informierte die Verfahrensbeteiligten im Klageverfahren zur Frage der Gültigkeit der Kommunalwahl 2009 mit Schreiben vom 27. April 2012 über die aktuelle rechtliche Bewertung. Den Wortlaut des Schreibens finden Sie hier:
Sehr geehrte Damen und Herren!
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
CDU-Gemeindeverband Kalletal
gegen
Rat der Gemeinde Kalletal
wird mitgeteilt, dass das Verfahren nach Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 15 A 860/10 fortgeführt wird.
Das Bundesverwaltungsgericht gibt in Randnummer 30 seines Urteils vom 7. März 2012 die Prüfung vor, ob die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zur Ungültigerklärung der hier in Rede stehenden Wahlen führt. Dafür reicht nach Bundes- und Landesrecht die abstrakte Möglichkeit einer Mandatsrelevanz des festgestellten Wahlfehlers nicht aus. Vielmehr muss in jedem Fall ein Einfluss auf die Mandatsverteilung möglich erscheinen, Es muss also ggf. ermittelt werden, ob die festgestellten Mängel im konkreten Fall - durch Manipulation oder Zählfehler - Auswirkungen auf das Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben konnten.
Solche Auswirkungen werden von der Beigeladenen zu 3. in ihrem den Umfang der (gerichtlichen) Wahlprüfung bestimmenden Einspruch vom 28. September 2009 nicht behauptet. In dem Einspruch wird ausschließlich darauf abgestellt, dass der Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot ein erheblicher Verfahrensmangel sei (offenbar gemeint im Sinne eines absoluten Wahlfehlers, der ungeachtet jeglicher konkreten Mandatsrelevanz auf jeden Fall zur Ungültigkeit der Wahl führt).
Auch der angegriffene Ratsbeschluss vom 26. November 2009 stellt nicht auf die Möglichkeit einer konkreten Mandatsrelevanz ab. Im Gegenteil; in der dem vorzitierten Ratsbeschluss zugrunde liegenden Begründung der Beschlussvorlage heißt es insoweit wörtlich: „Ob eine konkrete und nicht nur theoretische Möglichkeit bestanden hat, dass sich die Rechtsverletzung auf das konkrete Wahlergebnis ausgewirkt haben kann, muss nicht geprüft werden. Die festgestellten Verstöße hatten zum einen in ihrer Gesamtheit einen erheblichen Ausfall der Verfahrenskontrolle und einen durchgreifenden Mangel an Transparenz zur Folge. Wenn aber solche Verfahrensvorschiften insbesondere Regelungen zur Öffentlichkeit der Wahl nicht nur kurzfristig oder in geringfügiger Weise verletzt werden und das Wahlergebnis knapp ist, ist es zur Ergebnisrelevanz ausreichend, wenn die abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung des Wählerwillens durch Manipulation gegeben ist" (Unterstreichungen zur Verdeutlichung nur hier).
Das Bundesverwaltungsgericht ist dem in Randnummer 30 seines Urteils in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats entgegengetreten. Diese Auffassung lässt sich daher nicht aufrechterhalten.
Schließlich geht auch das angegriffene Urteil (nach umfangreicher Beweisaufnahme) nicht von einer konkret möglichen Mandatsrelevanz aus.
Der seitens des Beklagten im Berufungsverfahren für erforderlich gehaltenen, seiner Auffassung aber nicht mehr belastbar möglichen Neuauszählung der Stimmen bedurfte und bedarf es nicht. So verlangt die insoweit zum Beleg angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvR 562/91 -, juris) nicht stets, sondern nur grundsätzlich - also in der Regel - eine Nachzählung der abgegebenen Stimmen bei Wahlfehlern im Zusammenhang mit der Auszählung der Stimmen. Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es aber zum einen nur dann einer solchen Nachzählung, wenn im konkreten Fall durch den Einspruchsführer das Wahlergebnis selbst in Zweifel gezogen worden ist. Das ist allerdings ausweislich des Einspruchs nicht der Fall. Zum anderen wird es einer Nachzählung dann nicht bedürfen, wenn sich ausschließen lässt, dass sich der Wahlfehler auf das - hier gar nicht in Zweifel gezogene - Wahlergebnis und die Zuteilung von Mandaten ausgewirkt haben kann. Dies ist hier bei lebensnaher und verständiger Würdigung der Beweisergebnisse im erstinstanzlichen Verfahren wohl zu bejahen.
Vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen werden die Beteiligten gebeten zu prüfen, ob eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens - etwa durch Rücknahme des Einspruchs und Aufhebung des Ratsbeschlusses - herbeigeführt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rohde
Richter am Oberverwaltungsgericht